• Das Ich

    Und wenn man irgendwann…

    Und wenn man irgendwann doch den Schlussstrich zieht – links zur Hölle, rechts zum Eden –, bleibe ich dastehen, inmitten der blauen Himmelsarena, um meine irdische Rolle abzuwägen, die ich nach eigenem Willen, aus freien Stücken spiele. Schwarz und Weiß gehen darin ineinander, wie kann ich nur Schwarz von Weiß trennen? Ich werde nicht an irgendeines Tor klopfen oder um Gnade bitten. Vor mir knallen die Tore zum Eden und zur Hölle zu, und dann bleibt mir die einzige Hoffnung, dass ich über den Regenbogen gehe – schwarz und weiß, gelb und blau – wütend und zahm, Heilige und Sünderin zugleich, gehe ich diesen Weg, bis ich meine Vögel treffe.…

  • Das Universelle

    Elektroschlaf

    Reminiszenz Eine Freundin hat mir mal vom Elektroschlaf erzählt… Man legt sich hin, macht die Augen zu, und nach dem Aufwachen bleibt nur das Schöne in Erinnerung, alles Negative, alle Enttäuschungen, Schmerzen und Faux-Pas sind auf einmal weg.Man vergisst etwa, dass man aus dem ärmsten EU-Land kommt, und wenn die anderen bei der Null anfangen, du gleich bei -4 beginnen musst. Man erinnert sich nicht mehr daran, dass der freie Intellektuelle zweifelsohne am Aussterben ist und wir alle doch nur „Brodgelehrte“ (Schiller) sind, bereit, für die stolzen 42 Cent qualitativen Unterricht im Masterprogramm anzubieten. Es wird aus dem Gedächtnis auch das gelöscht, dass wir halt so gewohnt sind, an die…

  • Das Ich

    Warum ich kein Weihnachtsgeschenk will

    Als sie vor 22 Jahren kurz nach Christi auf die Welt kam, wollte es wohl keiner glauben. Erst im Januar sollte sie die Welt erblicken, und alle ausnahmsweise waren es sich einig, dass es noch ein Junge sein werde. Die Tage danach hatten wir viel Zeit füreinander – sie und ich –, da es nicht mal dem Vater erlaubt wurde, das eigene Kind zu sehen. Regeln. Sie hatte es eilig. Ich hatte es eilig. Mädchen müssen es eilig haben, dachte ich mir. Immer allen voran sein, immer schneller rennen, besser vorbereitet sein, um eine Chance im Leben zu haben, in dem immer Jungs die privilegierten waren. An ihrem ersten Geburtstag…

  • Begegnungen

    Spiele mir etwas vor

    Spiele, spiele mir etwas vor auf deinem Piano, die schlummernden Noten mach munter, lass sie über die Schulter hinunter rinnen andante, volcano! Spiele, erwärme sie kurz in den Händen, lass sie die Finger berühren, lass die Noten die Tasten mal spüren, und die Akkorde umwenden. Spiele nun! Weder Noten aufheben geht, noch Noten ersetzen, da vom ersten Akkord bis zum letzten tanzen zwei menschliche Leben. Views: 77

  • Das Jetzt

    Gedanken

    Diese Gedanken – umherirrende Ritter, Don Quijote-Gestalten, Landstreicher, Schicksalsfeen, Gedanken, die fordern, bitten und flehen, Gedanken aufgeblasene, eitle und wichtige, galoppierende, kleinliche, nichtige, Gedanken gemäßigte, langsame, schnelle, Gedanken freudige, weiße und helle, Gedanken-Dichter – beflügelte, reine, Gedanken-Peitschen – quälende, kleine, blöde Gedanken, kluge Gedanken lasse ich los – es reicht! -, um zu tanken neue. Und diese lass ich daneben – zwischen den Seiten des Buches aufleben, in einem versehentlichen Kurzfilm entstehen, als blasse Erinnerung kommen und gehen. Denn jene Gedanken – dursichtige, leichte, aus Löwenzahnröckchen, Gedanken wie Beichte, Gedanken, absteigend auf frostigen Wegen, die nebligen schweren Gedanken wegfegend – erwarte ich, um euch eine Handvoll Schnee, gesponnen aus Schneegarn…

  • Bürgerliches Trauerspiel. Wann beginnt das Leben. Uraufführung von Martin Gruber und aktionstheater ensemble (c) Stefan Hauer
    Theater

    Die Tragik der Fallhöhe

    Vom 29.9. – 3.10.2020 war das mehrfach presigekrönte aktionstheater ensemble mit der Uraufführung Bürgerliches Trauerspiel – Wann beginnt das Leben im WERK X in Wien zu sehen Was bleibt hinter uns? Müll, Orangen, Plastikblumen, unbrauchbare Nationalflaggen – Spuren von Verbrauchtem und kein Funken Leben, keine – zumindest wage – Andeutung an Erschaffenes, Erfundenes, Erbautes. Nur Müll. Gitterschränke voller Überbleibsel der menschlichen Existenz. Untergang statt Aufgang. Dunkelheit statt Licht. In einer Welt ohne Menschen, auf einer Bühne, die seit Monaten auf ihre Darsteller wartet. In Zeiten eines Lockdowns. In einem Dasein ohne Essenz, in der Ego-Trips Schicksäle stärker denn je zusammenschweißen, die Erlahmung des Geistes so krass zu spüren ist, dass…

  • Das Universelle

    Tintenblau! Sei eine Göre!

    Wenn die Welt mit Tintenblau bekleckst ist, und der Tag ist tintenblau und kantig, wenn auf der tintenblau-verzwickten Straße ohne Ausfahrt die tintenblaue Zeit niedergeschlagen halt macht, zerzause die Haare, trage Lippenstift auf, schminke die Augen in Tintenblau, bewege dich wie eine junge Gazelle, male tintenblaue Sonnen und Herzen, sei eine Göre und lach über die Fehler aus – das wäre ja gar kein Fehler! Denn im Leben aus Fehlern – kleinen, großen, rein menschlichen – wird langsam, ein Fehler nach dem anderen, das dunkle Tintenblau zu hellem Himmelblau, der Tag quillt aus dem Himmelblauen hervor, die in Himmelblau leuchtende Welt trifft das Himmelblaue, und du bist himmelblau-echt-lebendig. Und dir…

  • Das Ich

    Weiß

    Weiße Räume üben eine ziemlich merkwürdige magnetisierende Wirkung auf mich aus. Wenn ich einen weißen Raum betrete, werde ich blind, die Weißheit des nichtssagenden, sinn- und emotionsentleerten, das Ich widerspiegelnden Weiß lädt zu einer Auseinandersetzung mit sich selbst ein.  Dieses mich reflektierende Weiß blendet mich dermaßen ein, dass es mir – zwischen Weiß und Weiß gefangengenommen – unmöglich erscheint, dieser Falle entkommen zu können, ohne vorher eine Beichte abgelegt zu haben. Ein Blick im Spiegel, Ich gegen Ich. In die Stille hineinhorchen, um nachzuspüren, was da ist oder was eben nicht. Das, was gerade „nicht da ist“, ich allerdings viel intensiver wahrzunehmen. Heute jedenfalls! Also, was ist nicht da? Kein…

  • Das Ich

    Die Psychologin

    Und so bin ich an dem Punkt angelangt, wo ich mir nichts, wirklich nichts mehr wünschte. Andersrum: es war auch nichts mehr so, wie erwünscht. Weder Beförderung, noch die schon 20 Jahre alte Hoffnung auf Gehaltserhöhung, noch der Gedanke an glänzende Auftritte vor interessiertem Publikum konnten mich nun mehr begeistern. Nicht mal jener teure Gürtel von Cucinelli ließ mein Herz aufflammen, verdammt! Und schon die Vorstellung wissenschaftlicher Betätigung widerte mich an, ja, mich, wo ich sonst so gerne schreibe. War ich älter geworden? Noch schlimmer: eine Reisende auf dem Weg zum Endgültigen ins Jenseits? Das etwas gewaltig mit mir nicht stimmte, war doch klar. Außerdem gab es noch einen wichtigen…

  • Theater

    Auf der Theaterbühne meines Lebens

    Ich weiß immer noch ganz genau wo die drei Bände von Stanislawski in meiner Bibliothek stehen, ich kann nach wie vor jeden Moment den Geruch von altem Papier wachrufen und somit auch die Aufregung, die ich beim Umblättern spüre. Eine Seite, zwei Seiten, drei… Und schon betrete ich eine andere Welt, in der das Unmögliche draußen vor der Tür bleibt. Denn hier ist alles möglich. Auf einmal wird die Begrenztheit des Daseins überwunden. Es hat sich also nichts verändert. Die Erinnerung ist da, farbig-duftend, plastisch, grell leuchtend, der Augenblick, als ich dieses kostbare Geschenk bekam, flattert wie Schmetterling in der Luft, und… er. Als ob er immer da gewesen wäre.…