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Gib mir deine Hand
Gib mir deine Hand,lass sie sich auf meine Hände niedersetzen,ich will da, in deiner Hand, deinen Weg entdecken,deinen sich in Kurven schlängelnden Weg,und auf deinen Pfad viel Freude und Zeit ins Endlose hinunterrollen,Sternenstaub darauf streuen,und möge ich gleich vergessen, was ich enträtselt habe! Gib mir deine Hand, lass sie wie ein Blatt auf den Schoss vom November fallen und sich da ausruhen,damit ich mit dem Novemberregen alle eisig frierenden Winter wegspülen kann.Und hab keine Angst vor schlechten Vorhersagen,in meiner Hand wird nämlich ein Zauber geboren,und dank diesem Zauber kann ich aus der Hand nur von jenem lesen,auf dessen Weg ich meinen eigenen Namen entdecke. Neli P Views: 97
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Die andere Seite
Sofia habe ich nie gemocht. Niemals. Und nicht wegen der Tatsache, dass da, in der Volksversammlung, diejenigen sitzen, die alles andere tun, als das Volk zu vertreten, auch wenn auch das ein plausibler Grund wäre. „Schicksal, Schicksal!“, wehklagen die einen. Eine Ausrede, bei der sich jede andere Erklärung erübrigt, sobald man nur einen schnellen Blick in die Geschichte zurück wagt. Diejenigen von gestern sind die Regierenden von heute. Fakt. Sofia habe ich nie gemocht. Wegen der krassen Gegensätze. Der Diskrepanz zwischen dem Scheinbild, das man nach außen hin demonstrieren will, und der harten Wirklichkeit, die sich zwei Quergassen weit weg von „Vitoschka“ anbietet. Einerseits die glänzenden Vitrinen der Hauptstraße, und…
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Vielleicht
Zwischen Gestern und Heute, Neuem und Altem stolpere ich über ein „Vielleicht“. Vielleicht fällt die Prognose düster aus, vielleicht sind Stürme angesagt, vielleicht kreuzen Blitze ihre Schwerter am Horizont und zerschlagen Regenbögen? Vielleicht beugen sich verblasste Gesichter unter der Schwere des Kummers? Vielleicht wird es ein Indian Summer sein! Vielleicht geht es ins Blaue? Ins Goldige? Ins Hoffnungsvolle? Vielleicht singt man das heutige Lied auch morgen noch weiter? Nein, es regnet nicht. Die Sterne weinen, warten auf ihren Sturm, auf ein Vielleicht, das den Arm ausstreckt und ihre Tränen abwischt. Vielleicht. Views: 117
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Ladies After-Work-Party
Hello, High-Society! Ganz unerwartet für mich kommt eines Tages eine nette Einladung zu einem Damen-After-Work-Drink. Als Location wurde eine gemütliche Daily Lounge Bar im 1. Bezirk ausgesucht. Schon etwas später als die anderen angekommen, direkt von der Arbeit, schaue ich mich erst mal unruhig nach meinen Gastgeberinnen um, und bald erblicke ich die nach dem letzten Schrei der Mode gestylten und aufgepeppten Ladys (alle Hausfrauen ausnahmsweise), in glänzenden Gala-Outfits, Highheels und bis zur Schulter hängenden schweren Ohrringen. So schwer scheint der Ohrschmuck zu sein, dass er bei einem den Eindruck hinterlässt, er hätte das ganze Weltleid in sich aufgenommen. Sechs rot geschminkte Münder lächeln mir zu, als fände gleich die…
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Ungeplante Geschichte
An alle, die ihren Glauben irgendwo da auf der Strecke verloren haben. Menschen sprechen zu mir, ich hören ihnen zu. Wahrscheinlich bin ich eine ziemlich gute Zuhörerin, denn das passiert immer wieder. Menschen vertrauen mir ihre Geschichten an. Gestern etwa saß ein schätzungsweise über 60-jähriger Mann neben mir. Die Augen – rund herum von einem feinen Fältchennetz umrandet –, Mundwinkel traurig herabhängend. Das Jugendliche an ihm war der sorgfältig schwarz gefärbte Moustache, der kämpferisch und frech über der Oberlippe hervorstach, als ob er stellvertretend für seinen in sich zusammengesunkenen Besitzer der ganzen Welt mitteilen wollte: Es gibt mich noch! Da bin ich! Es stimmt schon, dass ein Schnurbart von der…
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Der Mensch gegen sich selbst
Weiß begegnet mir die Bühne heute Abend, auf der das preisgekrönte aktionstheater ensemble seine Neuaufführung darbietet. Die Compagnie, die durch die Aufrichtigkeit ihrer Inszenierungen erschüttert und durch ihr fulminantes Spiel einen einzigartigen theatralen „Ort“ des Ankommens im Jetzt, einen Anziehungspunkt für alle Suchenden schafft, bleibt auch dieses Mal mit ihrem feinen Gespür für die Wundstellen der Gesellschaft entschlossen am Puls der Zeit.
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Die Leiter als Symbol
„Zwei Zitronenfische und andere Sehenswürdigkeiten“, Florentin Scheicher ( http://Florentin Scheicher), ab 12.05. in der Kolonie 5 „Sind Sie der Künstler?“, frage ich den sympathischen jungen schwarzlockigen Mann in der kleinen Galerie Kolonie 5 in der Hamburgerstraße in Wien, die an diesem warmen Maiabend ihre Türen für die Kunstliebhaber wieder geöffnet hat. „Ja, ich bin’s.“ Heute Abend hängen an den Wänden in der Kolonie 5 die Bilder von Florentin Scheicher. Ich führe ihn bis zum großformatigen Bild mit der schlanken Leiter drauf, vor der ich mich vorher nachdenklich aufgehalten hatte. Mich interessiert, wohin sie denn führen könnte. Ich schaue mir das Bild noch ein paar Minuten prüfend an und bin in…
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Freundschaft!
„Gutti und ich gingen die Treppe hinunter, er stolpernd wie der sterbende Kommunismus, ich aufrecht wie ein gut gefüllter Geldspeicher der Reichen.“ /“Erster Mai“, Manfred Rebhandl, Haymon Verlag 2022, S. 72/ Den Autor Manfred Rebhandl hab ich 2018 kennenglernt – ein reiner Zufall. Ein paar Wochen davor sind wir in Kontakt gekommen, nachdem ich – ganz zufällig! – einen seiner Texte – über Gerda Rogers – mit einem Auszug von dem wunderbaren Dimitre Dinev, den ich sehr, sehr mag („Spas träumt“) kommentiert hatte. Das erste Buch von ihm, das ich danach aus reiner Neugier gelesen habe – denn davor kannte ich nur einige seiner Artikel – war über Kitty Muhr…
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Julia Caesar
Irgendwie habe ich es schon immer gewusst, dass das Leben außerhalb des Universitätsgefildes nicht einfach sein wird. Das Uni-Umfeld hatte mich schon immer eine Umgebung aus Gleichgesinnten verschafft, wo man auf gleicher Welle funkte. Man war vorbehaltslos angenommen, fühlte sich gut aufgehoben und verstanden; geteilte Gedanken fanden Widerhall bei den Anderen. Es war ein schönes, warmes Gefühl der Geborgenheit. Außerhalb dieses heiligen Schutzbereichs der Ideen und Köpfe sind mir wohl oder übel allerlei andersgeartete Menschen: arrogant, zurückweisend, oberflächlich, kleinlich… Eine ganze Regenbogensammlung, aufgeschäumte bunte Gischt aus Charakteren in der Brandung der Begegnungen hatte sich blitzartig angehäuft. Ein stürmisches Menschentypenmeer, das einen anlockte und mitriss. In mancher Hinsicht trug das immens…
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Die Beichte einer Nichtgläubigen
Provoziert durch die heutige Begegnung mit Ihm. Ich bin in einer gottlosen Gesellschaft aufgewachsen, in der Gott verboten war. Gott? So was gab es nicht, nur von den Lippen meiner Oma konnte man manchmal dieses seltsame Wort, leise und vorsichtig zugeflüstert, hören. Was sie allerdings damit meinte, blieb ein volles Rätsel. Die kleine Kirche, die mitten auf dem zentralen Platz stand, hatte für mich eine völlig plausible Geschichte: sie war ja nämlich die, an deren Kirchturm Baron von Münchhausen sein Pferd mitten in jenem heftigen Schneesturm gebunden haben soll. Jedes Mal, wenn ich an ihr vorbeiging, schaute ich nach oben zum Turm und dachte an Münchhausen. Eine andere Funktion der…




















