Begegnungen
-
Das Leben ist lebenswert
„Wie alt schätzen Sie mich? Sagen Sie mal!“ „70.“ „Nein! Ich bin 86! Keine Medikamente, keine Therapien, fühle mich topfit.“ So komme ich ins Gespräch mit der Dame, die auf der Bank neben mir vor der Kaiservilla sitzt. Mit ihrem geblümten rosa-hellgrünen Kleid mit Puffärmeln fällt sie sofort ins Auge. Ich mache ihr ein Kompliment. Sie bedankt sich strahlend und nimmt ihre Sonnenbrille ab. Ich hingegen blinzle gegen die Sonne, da ich meine vor ein paar Wochen in Sevilla verloren habe, das macht mir aber nichts aus, ich genieße es. Dann erzählt sie mir, dass sie auf ihre Familie warte, ist aber als Erste losgegangen, um sich von alldem Vorbereitungsstress…
-
Wenn im Raum, genannt Mikrowelt, die Hysterie die Oberhand gewinnt
Morbus Hysteria. Wir haben alle recht Uraufführung von Martin Gruber und aktionstheater ensemble In Koproduktion mit dem internationalen Festival Bregenzer Frühling, Kulturservice der Landeshauptstadt Bregenz. In Kooperation mit Werk X. In Wien noch am Sa. 3. Juni und So. 4. Juni jeweils um 19:30 Uhr im Werk X, Oswaldgasse 35a, 1120 Wien zu sehen. Wie in allen bisherigen Aufführungen vom mehrfach preisgekrönten aktionstheater ensemble, das ich seit 2018 begleite, geht es auch bei der Neuinszenierung Morbus Hysteria um einen Paradigmenwechsel. Deutungsversuche, Wichtigtuerei, Belanglosigkeit – Phänomene der Einkapselung in der kleinen eigenen Welt werden witzig-ironisch und pointiert zur Schau gestellt. „Wie betreten den Raum! Mit diesen Worten treten Thomas und Kirstin auf die…
-
Sie
Die Tür öffnet sich und sie stellt sich in den Türrahmen. Sie, genau sie. Mit high heals, schön gestylt, elegant, umwerfend! Echt. Ich traue meinen Augen nicht. Halte inne und frage sie leise: Snezhi, bist du denn das? Woher kommst du? Wo warst du denn die ganze Zeit? Und sie erzählt mir, dass sie eh nie gegangen ist. Wir haben uns einfach eine Weile nicht gesehen. Auch sie habe mich sehr vermisst. Und nun solle ich alles schnell einpacken, sie sei ja wegen mir gekommen, um mich abzuholen. Ich mache alle Kästen auf und fange an auszuräumen. Nichts von dem, was da ist, brauche ich. Alles schmeiße ich weg. Nichts…
-
Da, wo alles beginnt und endet
„Und die Zufälle ließen sich wie Vögel auf ihre Schulter nieder.“ Milan Kundera Begrüßen, da sein, ohne anzukommen, offen sein, präsent sein, mit der Umwelt verschmelzen, da sein, und nicht da sein, ständig unterwegs sein, ohne je abreisen zu können, mit der Zeit um die Wette rennen… Denken und nicht denken, spüren, Lichtmomente unter die Haut gehen lassen… Aufwachen… Vor dem ersten Sonnenkuss aufwachen… Bissige eiserne Schneeflocken auf den Wangen zur Morgendämmerung, Schnee auf der Handfläche schmelzen und durch die Finger verrinnen lassen, den Schnee bei jedem Schritt knistern hören, vom Schnee verblendet werden und sich im Dunkeln verlaufen, die beschlagenen Fensterscheibe mit dem Handrücken abwischen, in die Dunkelheit starren,…
-
Die Leiter als Symbol
„Zwei Zitronenfische und andere Sehenswürdigkeiten“, Florentin Scheicher ( http://Florentin Scheicher), ab 12.05. in der Kolonie 5 „Sind Sie der Künstler?“, frage ich den sympathischen jungen schwarzlockigen Mann in der kleinen Galerie Kolonie 5 in der Hamburgerstraße in Wien, die an diesem warmen Maiabend ihre Türen für die Kunstliebhaber wieder geöffnet hat. „Ja, ich bin’s.“ Heute Abend hängen an den Wänden in der Kolonie 5 die Bilder von Florentin Scheicher. Ich führe ihn bis zum großformatigen Bild mit der schlanken Leiter drauf, vor der ich mich vorher nachdenklich aufgehalten hatte. Mich interessiert, wohin sie denn führen könnte. Ich schaue mir das Bild noch ein paar Minuten prüfend an und bin in…