• Picassos Little Girl Jumping Rope
    Das Universelle

    Nichts macht mir mehr Angst als die Gleichförmigkeit

    Nichts macht mir mehr Angst als die Gleichförmigkeit. Ich bin zwar in einer schönen hellen viel versprechenden Zeit aufgewachsen und in einer noch schöneren, noch helleren Gesellschaft, in der Disziplinierungsmaßnahmen einen Höchstwert erreicht hatten: das Schülerheim des Fremdsprachengymnasiums, das sich im 3. Stock derselben Schule befand, schloss die Türen um 20:00 Uhr. Noten unter dem Bestergebnis waren unzulässig bzw. ein Grund zum Sich-Schämen, und die Schuluniform war ein Muss. Wir waren auch so erzogen, auf die Frage „Willst du den anderen als Vorbild dienen?“ mit „ja“ zu antworten. An einem warmen Sommerabend im Juni 1988, das Erscheinungsjahr vom Iwan Andonows Kultfilm „Yesterday“, dessen Sujet in der Deutschen Schule in Lovech…

  • Das Jetzt

    Mein Sommer mit den duftenden Linden im Juni

    Mein Sommer mit den duftenden Linden im Juni, mein Sommer bleibt auf der Strecke. Der Sommer, geboren aus Sonne und Dünen, scheint krank sein Gesicht zu verstecken. Er zaudert unsicher, hinkt hinterher, folgend dem Mai auf den Fersen, er solle, wie April meint, nun umso mehr, Ärzte aufsuchen diverse. Den Sternen zu lauschen, ein anderer sagt, wäre nun äußerst notwendig. Psychotherapie – wenn er das mag – mache ihn herrlich lebendig! Zum Kardiologen schickt ihn ein Weiser. Er solle sich am Tarot versuchen! Den Sonnenaufgang begrüßen und leise in Demut ein Aschram besuchen! Ein Dritter verschreibt ihm ein Bad in dem Bach, drei Kreise um sich soll er drehen –…

  • Das Universelle

    Das Allerschönste

    Das Allerschönste schiebe ich ganz an die Spitze. Zur Morgenröte schaut es sich in meinen Augen um und schmilzt im purpurroten Himmel: keine Blitze, kein Sturm, kein Unwetter, kein Warum. Es findet mich in meines Herzens Ritze. Das Allerschönste hat zwei zarte Arme. Ich spüre sie wie Vögel flatternd, im Tanz mich sanft berührend, windend Träume warme um mein Gesicht in einen Vögel-Kranz, den kalten Morgenwind umarmend. Das Allerschönste hat auch eine Seele. Ich decke sie mit Schneeglöckchen-Umhang, damit das allerwahrste Weiß, die Quelle jener universellen Wahrheit erhalten bleibt hinter dem Wolken-Drang   der grauen und verstaubten Himmelswelle. Das Allerschönste will ich, kein Vorgaukeln über das endlose Schönste ohne Herz,…

  • Das Universelle

    Hoffnung

    In einer ruhigen namenlosen Straße kam ich an - ich fand sie, sie – mich, und dann irgendwo da, im Dunkel neben der Straßenlaterne wartete ein uneingeladener Gast aus der Ferne. Eine Fremde, allerdings nicht ganz Unbekannte… Waren wir verabredet? Oder sie mich erkannte? Blicke, Fragen, leises Geflüster, ruft mich beim Namen, folgt keinem Muster, stellt sich nicht vor. Ob ich sie kenne? Ihren Hauch spüre ich, spüre ihr Brennen. Wartet auf mich seit Menschengedenken? War ich denn blind? Taub? Ihr Geschenk sei kleines Gespräch aus glühenden Worten. Hat mich gesucht an entlegenen Orten? Kann nicht vorbei an ihrer Umarmung, die flackernden Kerzen sind ihre Vorwarnung. Diese Hände, Dezember-erfroren, die…

  • Das Ich

    Father’s Day

    Missing the father, you never had. Missing that person, you never could really hate, but only love. Missing that one, who was always far away – the unreachable, the unknown, the misunderstood, the unworthy, the lonely one, your father. All you have left from him is this gold necklace with the small ruby flower. The one who sent you the best books of your childhood, to whom you wrote your first letters asking him to come back, the one, who even brought you once to school, which made you walk with your nose in the air, who gave you the time as a present – measured by his absence –…

  • Das Ich

    Vienna

    I believe in no prophets or superstitions beyond me. I only trust the call of my heart. Vienna… The very thought of getting in touch with this city is so intoxicating that hardly have I got off the bus after the tiring twenty-hour trip, I rush into Mariahilfer eagerly melting into the colorful flow of people. I’m alive and breathing… I love to deeply breathe in this city. I can tell, even in my sleep, the whole palette of its smells. I know every square bathed in sunshine as well as every shadow. When I’m away I dream of walking winding paths, staying at unknown hotels, crossing bridges, gazing into…

  • Das Universelle

    Die Versagerin

    Zur Morgendämmerung schläft die Versagerin in mir nicht.Sie drückt mich an die Wandfür alle meinen „Ich kann nicht über meinen Schatten springen“,für alle kleinen und großen bequemen Flüchte, Täuschungen,für alle meinen „Es ist mir scheißegal“,für alle „Es ist noch Zeit“,für alle stillen Rückzüge,für alle „Warte“ und „Halte mal“!Und wie bequem ist es nur,über die Schulter auf sie zu spucken,mit nicht sehenden Augen,sodass alles sich einfach und logisch,pragmatisch und unpersönlich weiter so hinzieht.Die Versagerinnen sind immer wach.Die Versagerinnen träumen nie.Wenn du glaubst, dass die Versagerin nicht mehr da ist,genau in dem Moment nistet sie sich in deiner Wunde einund das tut höllisch weh.Sie schreit aus, dass du verlogen bist,unecht und unschön,…

  • Das Ich

    Metamorphose

    Ich war sehr, brav, sehr strikt, sehr fleißig, endlos tüchtig, bis zum Schmerz verlässlich, bis zum Himmel hoch fordernd, bis zur Hölle tief kritisch, war streng, erbarmungslos, heroisch. Und dann war auf einmal los, was los war, meiner Krebs-Natur entsprechend machte es plötzlich „klick“ bei mir: ich schaute in die Augen meiner Yana, und dann trat so eine Veränderung auf, dass mein Krebs-Selbstbewusstsein in einem einzigen stillen Moment des Schweigens jene Rebellin in mir zum Leben erweckte, die schon lange auf ihre Zeit wartete; gab mir Gitarre und Elan, und ich verliebte mich in das Chaos in tiefster Demut, und wurde unordentlich, weniger kritisch, nicht sehr verlässlich, dafür aber sehr…

  • Das Jetzt

    Wie Facebook zu einem Porno wurde

    Am Tag Y der Krise wurde Facebook zu einem billigen Amateuren-Porno, wo jeder sein bestes versuchte. Man schlug Purzelbäume, machte Spagat und entblößte sich, so gut man eben konnte. Manche waren neu in der Branche und versuchten innovativ zu sein, andere taten das, was sie immer getan hatten und blieben in sicheren Gewässern. Das, mit der Nacktheit der Körper, war erstaunlich einfach, back to the roots! Am Grad der Nacktheit konnte man fehlerlos jeden wie ein Mind Map ablesen. Die innere Unsicherheit, dass man in Vergessenheit gerät, wenn man nicht täglich, stündlich an sich und seine Qualitäten erinnert, schlug Alarm. Porno stand jedenfalls hoch im Kurs, boomte und wurde zu…