• Sprachspiel

    Spielen

    Habe heute mit gewissem Bedauern und einer Spur von Traurigkeit meine Gitarre eine Weile auf dem Schoss gehalten: die zweite Saite musste schon längst gewechselt werden… Gitarre spielen geht also nun wirklich nicht. Selbstverständlich hätte ich auch Geige spielen können, wenn ich nur eine hätte und es könnte, doch ein Traum wäre, immer die erste Geige zu spielen, hingegen wäre wohl keiner bereit, freiwillig die zweite Geige zu spielen in der gegenwärtigen Konkurrenzwelt. Solche „Macher“, die ausnahmsweise den Besserwisser spielen, gehen mir manchmal echt auf die Nerven, aber was soll’s! Das ist ja ein Teil des Spiels des Lebens!  Nicht jeder spielt mit offenen Karten, damit muss man leben! Karten…

  • Begegnungen

    „Hämwieh“

    Nun muss ich schmunzeln, echt. Da ich mich erinnerte, wie alles begonnen hatte. Ich stand im Auslandsamt der Uni Jena und wartete geduldig, vor ein paar Stunden angekommen, nach der 35-stündigen Busfahrt, erschöpft und völlig desorientiert. Die Angestellte im Büro versuchte vergebens meinen Betreuer, Herrn Dr. Lösch von der Arbeitsstelle Thüringisches Wörterbuch zu erreichen. Als er endlich abhob, zog sich das Telefonat länger als 5 Minuten hindurch, am besorgniserregten Blick der Dame konnte ich ablesen, dass etwas nicht stimmte. Ja, es stimmte etwas definitiv nicht. Der Betreuer, der mir zugewiesen wurde, weigerte sich mich zu betreuen. Er selbst steckte bis zum Hals in der Arbeit, und das letzte, was er…

  • Begegnungen

    Das Geburtstagskind

    Es war gegen 19 Uhr. Ein zauberhafter Märzabend, Schneeflocken schwenkten ungeniert ihre Röckchen herum, ein eiskalter Windzug trug sie in einem Wirbelsturm hoch, brachte sie bald wieder aus der Reihe und spuckte sie ins blendend weiße Schneechaos hinein, wo sie – völlig verloren vor dem Hintergrund des alles widerspiegelnden Weißes, innerlich durchwühlt, ihre Krönchen aufrichteten. Eine Sekunde, zwei, drei… Mit einem erneuten Schwung traten sie wieder in die Reihe.  Man sagt, man braucht nicht länger als vier Sekunden, um sich ein allererstes Bild von jemandem ausmalen zu können. Die vierte Sekunde fehlte also nur noch, die einen echt hätte machen können, und das war das Geheimnis aller Schneeflocken. Auch mich…

  • Begegnungen

    Filinjo

    Manchmal, wenn ich mir denke, nein, weiter geht es einfach nicht mehr, das war’s, genau in dem Moment erlebe ich das, was das Universum als Schicksalsfügung bezeichnet, Zufall oder das erwartete Unerwartete, und das Leben nimmt wieder seinen Lauf voller Selbstvertrauen, die Freude ballt sich auf der Zungenspitze, rollt die Lippen hinunter und malt ein Lächeln, und alles wendet sich doch irgendwie zum Guten. Dieses Mal hat mir die Fügung Filinjo geschickt. Filinjo war das, was sich jeder wünscht, wenn man gerade in der Sackgasse steckt und verzweifelt den Blick auf die Sterne richtet. Ein Engel, würdet Ihr sagen. Ein Stern. Nein. Filinjo ist mein letzter bester Fan. Die Notwendigkeit,…

  • Kultur

    Ein rotes Herz – heiß und groß

    „Sie brauchen bestimmt ein Herz – rot, heiß und groß? Mit diesen Worten empfing mich der Clown im kleinen geheimnisvollen Allerlei-Zauber-Shop Jumbalaya, während ich mich zwischen die riesengroßen von der Decke hinabhängenden Folienherzen, Luftballons, Plüschtiere, Drachen-Masken, Pfeifen der Art „Komm und gehe“ und Girlanden mit Mühe durchschlich; er blinzelte mit den Augen, sandte mir ein paar kleine listig-funkelnde Lichtstrahlten aus den Augenwinkeln zu, musterte mich schnell vom Kopf bis zum Fuß und lächelte. Willkommen in der Welt der Mystik! Die Vorliebe der Bulgaren für das Mystische, in vielen Mythen, Bräuchen und Sagen verankert, ist nicht von heute. Denken wir nun an den deutlich ausgeprägten Drang, der seit Krali Marko über…

  • Klischees

    „Sie sind die Beste!“

    Was mit mir los ist? Keine Ahnung. Ich weiß es einfach nicht. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass ich nichts weiß. Es war auf einmal ein gewisses Etwas da, das ich nicht mal in Worte fassen oder in einen festen Rahmen setzen konnte, denn wenn man Worte handhaben soll, dann tue ich es jedenfalls sehr, sehr behutsam, als ob Worte zerbrechlich wären, Kleinkinder, ein echter Schatz – was sie ohnehin sind, angenommen, man rückt sie ganz schön „behutsam“ in den Vordergrund. Es ist irgendwann also so passiert – bei mir passiert nie etwas nach Plan! –, dass es anfing, mir schlecht zu werden. Nach jeder Floskel, jedem Klischee, jeder…

  • Das Ich

    Und wenn man irgendwann…

    Und wenn man irgendwann doch den Schlussstrich zieht – links zur Hölle, rechts zum Eden –, bleibe ich dastehen, inmitten der blauen Himmelsarena, um meine irdische Rolle abzuwägen, die ich nach eigenem Willen, aus freien Stücken spiele. Schwarz und Weiß gehen darin ineinander, wie kann ich nur Schwarz von Weiß trennen? Ich werde nicht an irgendeines Tor klopfen oder um Gnade bitten. Vor mir knallen die Tore zum Eden und zur Hölle zu, und dann bleibt mir die einzige Hoffnung, dass ich über den Regenbogen gehe – schwarz und weiß, gelb und blau – wütend und zahm, Heilige und Sünderin zugleich, gehe ich diesen Weg, bis ich meine Vögel treffe.…

  • Das Universelle

    Elektroschlaf

    Reminiszenz Eine Freundin hat mir mal vom Elektroschlaf erzählt… Man legt sich hin, macht die Augen zu, und nach dem Aufwachen bleibt nur das Schöne in Erinnerung, alles Negative, alle Enttäuschungen, Schmerzen und Faux-Pas sind auf einmal weg.Man vergisst etwa, dass man aus dem ärmsten EU-Land kommt, und wenn die anderen bei der Null anfangen, du gleich bei -4 beginnen musst. Man erinnert sich nicht mehr daran, dass der freie Intellektuelle zweifelsohne am Aussterben ist und wir alle doch nur „Brodgelehrte“ (Schiller) sind, bereit, für die stolzen 42 Cent qualitativen Unterricht im Masterprogramm anzubieten. Es wird aus dem Gedächtnis auch das gelöscht, dass wir halt so gewohnt sind, an die…

  • Das Ich

    Warum ich kein Weihnachtsgeschenk will

    Als sie vor 22 Jahren kurz nach Christi auf die Welt kam, wollte es wohl keiner glauben. Erst im Januar sollte sie die Welt erblicken, und alle ausnahmsweise waren es sich einig, dass es noch ein Junge sein werde. Die Tage danach hatten wir viel Zeit füreinander – sie und ich –, da es nicht mal dem Vater erlaubt wurde, das eigene Kind zu sehen. Regeln. Sie hatte es eilig. Ich hatte es eilig. Mädchen müssen es eilig haben, dachte ich mir. Immer allen voran sein, immer schneller rennen, besser vorbereitet sein, um eine Chance im Leben zu haben, in dem immer Jungs die privilegierten waren. An ihrem ersten Geburtstag…

  • Begegnungen

    Spiele mir etwas vor

    Spiele, spiele mir etwas vor auf deinem Piano, die schlummernden Noten mach munter, lass sie über die Schulter hinunter rinnen andante, volcano! Spiele, erwärme sie kurz in den Händen, lass sie die Finger berühren, lass die Noten die Tasten mal spüren, und die Akkorde umwenden. Spiele nun! Weder Noten aufheben geht, noch Noten ersetzen, da vom ersten Akkord bis zum letzten tanzen zwei menschliche Leben. Views: 33