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Tintenblau! Sei eine Göre!
Wenn die Welt mit Tintenblau bekleckst ist, und der Tag ist tintenblau und kantig, wenn auf der tintenblau-verzwickten Straße ohne Ausfahrt die tintenblaue Zeit niedergeschlagen halt macht, zerzause die Haare, trage Lippenstift auf, schminke die Augen in Tintenblau, bewege dich wie eine junge Gazelle, male tintenblaue Sonnen und Herzen, sei eine Göre und lach über die Fehler aus – das wäre ja gar kein Fehler! Denn im Leben aus Fehlern – kleinen, großen, rein menschlichen – wird langsam, ein Fehler nach dem anderen, das dunkle Tintenblau zu hellem Himmelblau, der Tag quillt aus dem Himmelblauen hervor, die in Himmelblau leuchtende Welt trifft das Himmelblaue, und du bist himmelblau-echt-lebendig. Und dir…
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Weiß
Weiße Räume üben eine ziemlich merkwürdige magnetisierende Wirkung auf mich aus. Wenn ich einen weißen Raum betrete, werde ich blind, die Weißheit des nichtssagenden, sinn- und emotionsentleerten, das Ich widerspiegelnden Weiß lädt zu einer Auseinandersetzung mit sich selbst ein. Dieses mich reflektierende Weiß blendet mich dermaßen ein, dass es mir – zwischen Weiß und Weiß gefangengenommen – unmöglich erscheint, dieser Falle entkommen zu können, ohne vorher eine Beichte abgelegt zu haben. Ein Blick im Spiegel, Ich gegen Ich. In die Stille hineinhorchen, um nachzuspüren, was da ist oder was eben nicht. Das, was gerade „nicht da ist“, ich allerdings viel intensiver wahrzunehmen. Heute jedenfalls! Also, was ist nicht da? Kein…
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Die Psychologin
Und so bin ich an dem Punkt angelangt, wo ich mir nichts, wirklich nichts mehr wünschte. Andersrum: es war auch nichts mehr so, wie erwünscht. Weder Beförderung, noch die schon 20 Jahre alte Hoffnung auf Gehaltserhöhung, noch der Gedanke an glänzende Auftritte vor interessiertem Publikum konnten mich nun mehr begeistern. Nicht mal jener teure Gürtel von Cucinelli ließ mein Herz aufflammen, verdammt! Und schon die Vorstellung wissenschaftlicher Betätigung widerte mich an, ja, mich, wo ich sonst so gerne schreibe. War ich älter geworden? Noch schlimmer: eine Reisende auf dem Weg zum Endgültigen ins Jenseits? Das etwas gewaltig mit mir nicht stimmte, war doch klar. Außerdem gab es noch einen wichtigen…
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Auf der Theaterbühne meines Lebens
Ich weiß immer noch ganz genau wo die drei Bände von Stanislawski in meiner Bibliothek stehen, ich kann nach wie vor jeden Moment den Geruch von altem Papier wachrufen und somit auch die Aufregung, die ich beim Umblättern spüre. Eine Seite, zwei Seiten, drei… Und schon betrete ich eine andere Welt, in der das Unmögliche draußen vor der Tür bleibt. Denn hier ist alles möglich. Auf einmal wird die Begrenztheit des Daseins überwunden. Es hat sich also nichts verändert. Die Erinnerung ist da, farbig-duftend, plastisch, grell leuchtend, der Augenblick, als ich dieses kostbare Geschenk bekam, flattert wie Schmetterling in der Luft, und… er. Als ob er immer da gewesen wäre.…