• Das Jetzt

    „WILLKOMMEN! Ich heiße Olga. Ich bin Verkäuferin.“

    Die Not, nicht der Überfluss hat Olga dazu getrieben, nach Wien zu kommen. Notgedrungen hatte sie ihre sieben Sachen gepackt – die alle in ihrem Pelzmantel reinpassten –, und verließ die Heimat, nachdem ihr das Leben ein paar harte Ohrfeigen verpasst hatte, und einige davon sie in die Knie gezwungen hatten. Hinter sich, in Odessa, ließ sie einen Ex-Mann, der auf seine Weise um ein besseres Realitätsbild kämpfte, indem er das Verzerrte draußen durch Alkohol wieder auszuloten versuchte, und den sie lange genug auf dem Weg, genannt „Ehe“, mitgeschleppt hatte. Ob sich seine eigene Realität dadurch schöner, erträglicher anfühlte, wusste Olga nicht, ihre war allerdings nur noch gruseliger geworden. Bis…

  • Begegnungen

    Es lebe die Leidenschaft!

    Wenn man dem Gefühl eine konkrete Form verleihen kann, dann ist es Benjamin Vanyek. Wir kennen schon den talentierten Schauspieler dank seiner mitreißenden Rollen in den Aufführungen von aktionstheater ensemble und haben den Akteur, der sich in seine Protagonisten dermaßen gelungen hineinversetzen kann, dass er ein Leib und Seele mit ihnen wird, des Öfteren bewundert und mit großem Respekt vor seinem Talent mitverfolgt. Sein facettenreiches Schauspiel fand dieses Mal seinen einzigartigen Ausdruck in den Interpretationen des „Großen der Großen“ – Jacques Brel – im Nestroyhof Hamakom am 15. Und 16. Oktober. Leidenschaft war das Wort, betonte Benjamin, das im Mittelpunkt des Ereignisses stand. Leidenschaft war auch das Gefühl, das Publikum…

  • Europa

    Politik ist schmutzige Sache

    Bild: Mike Peters https://www.cartoonistgroup.com/subject/The-Moral+Majority-Comics-and-Cartoons.php Politik und Moral sind offenbar unvereinbar. Der Machiavellismus hat es schon im 16. Jh. festgestellt. Ich habe es zig Mal beobachtet, und das zeigte uns auch die derzeitige politische Situation in Österreich. Egal, wie sehr man es sich wünscht, in einer realen Demokratie zu leben und ethisch zu handeln, hat die Menschheit wohl die Aggressivität als anthropologische Komponente trotz aller Bemühungen und Evolutionsphasen bisher noch nicht überwunden. Und diese unbewusste Aggressivität geht in fehlende Moral, Machtgier und Skrupellosigkeit hinüber. Irgendwann sollte man an die Wurzeln des Problems herankommen. Und die liegen nicht woanders, sondern in der menschlichen Natur. Diese unaufhaltsame Triebkraft bewegt – „im Namen des…

  • Das Jetzt

    Rapidler, ich komme!!!

    Man soll ja nicht daran denken, was man hätte werden können, und grundsätzlich, schon gar nicht viel grübeln im Leben, sondern das Beste daraus machen, was man eben ist, sagt man. Und trotzdem, trotz des Wissens über die Sinnlosigkeit derartigen Tuns, blickt man ab und zu zurück, rekapituliert, wägt diese und jene Option ab und versucht die Vergangenheit vom Blickwinkel der Gegenwart aus neu zu beleuchten, indem man seine Schritte rechtfertigt oder ihnen erst nun eine – wohlverdiente –Bedeutung beimisst. Und in solchen Momenten kann ich nicht anders als mich auf den Flügel des inneren Monologs treiben lassen. „Und du hättest was Großes werden können, Neli! Eine Fußballerin nämlich!“, flüstert…

  • Begegnungen,  Kultur

    Ich halte ihn fest!

    Habt Ihr mal das Gefühl gehabt, jemanden gekannt zu haben vor dem realen Kennenlernen? Genau dieses Gefühl hatte auch ich damals, 2017, an der Schwelle des neuen Jahres. Ein paar ausgetauschte Worte, kurze Sätze, in denen sich alles um den WIENER herum drehte … – vor allem ging es darum, dass ich vor Jahren eine Doktorarbeit über das Magazin geschrieben hatte, und der WIENER gerade zum Jahresende sein Jubiläum feiern wollte, und ich wusste es schon: Diese Persönlichkeit kam mir irgendwie seltsam bekannt vor! In Wirklichkeit haben wir uns erst am 14.02.2018 im Prückel getroffen, er saß neben dem Klavier da, auf dem Tisch vor ihm lag das neuerschienene WIENER-Heft,…

  • Theater

    Gibt es ein Maß für Einsamkeit?

    Vom 16. bis is 21 Juni hatte das Wiener Publikum die Chance, nach der schweren Zeit des Lockdowns AKTIONSTHEATER ENSEMBLE – das Theater, das berührt! – in seiner schon lange erwarteten Uraufführung LONELY BALLADS EINS und ZWEI im WERK X in Wien zu sehen und somit seine Einsamkeit mit der der Akteur*innen in ihrem faszinierenden Spiel zu teilen. Ab 15. September startet nun die Theaterkompanie in Koproduktion mit Spielboden Dornbirn und Kulturservice der Landeshauptstadt Bregenz in die neue Herbstsaison. Kann die Einsamkeit gemessen werden? Und wenn ja, was dient als Maß für sie? Wie bestimmt man, wer einsam, und wer noch einsamer ist? Kann die Einsamkeit gesteigert oder irgendwie mal…

  • Begegnungen

    Die Petition

    „Frau Professor, kommen Sie vielleicht aus dem Iran?“ „Nein, wieso denn?“ „Nein??? Nicht aus dem Iran??? Die iranischen Frauen haben schöne ausdrucksvolle Augen und schlanke Figur, ich glaubte, dass auch Sie aus dem Iran kommen.“ So hat es angefangen, meine dreitägige Vertretung in einer völlig unbekannten Gruppe. Die erste Stunde schien alles ganz o.k. zu sein, zehn Paar Augen starrten mich wie gefesselt an und nahmen jedes meiner Worte wahr: drei Frauen und sieben Männer. Es herrschte Stille. Außer meiner Stimme konnte man nur noch das Pfeifen des Windes hören, der draußen den Kampf gegen die kalte Front aus dem Westen nicht aufgeben wollte, sich gegen die Anschuldigungen, dass sein…

  • Das Universelle

    Traum

    Traum von letzter Nacht: Um mich herum – alle meinen Nächsten, in einem neuen Haus, an einem neuen Ort. Es herrscht Frieden. Eine weiße Treppe windet sich hinauf. Einer nach dem anderen besteigen alle, gemäßigten Schrittes, die Treppe: die Verzweifelten sind nun zuversichtlich, die Leidenden – auf einmal gesund, die Hoffnungslosen – voller Glaube. Ein seltsamer Rauch reißt mich aus dem Schlaf: Weihrauch zieht durch die weit geöffneten Fenster hinein, das Läuten von Kirchenglocken ist aus der Ferne wahrzunehmen: „Bim-bam, bim-bam, bim-bam…“ Ein Blick auf den Kalender: Maria Himmelsfahrt. Möge mein Traum wahr werden. Views: 38

  • Begegnungen

    „Da, wo die Grenzen der Medizin erreicht sind, setzt das Schicksal ein“

    Das sind ihre Hände. Diese Hände können Hilfe anbieten oder gar Menschenleben retten. Die Hände einer Ärztin. Sie kenne ich seit länger als einem Jahr schon, und Ihr werdet Euch höchstwahrscheinlich wundern, wie man jemand kennen kann, ohne diese Person irgendwann getroffen zu haben. Oh ja, da kann man sehr wohl! Denn manchmal verbindet Menschen mehr als das Offensichtliche, sie werden auf eine mysteriöse Weise zusammengeführt über die Telefonleitung – den Klang der Stimme, die gemeinsam geteilten Gedanken, die ähnliche Weltwahrnehmung, die Gefühlslage –, sodass die reale Distanz plötzlich auf das Minimalste reduziert wird. Und jetzt, wo wir uns endlich umarmen konnten, bestätigt sich mein Vorgefühl: sie kann nicht nur…

  • Begegnungen

    Die Einsame

    Erika Dieser Seidentop steht Ihnen so gut! Oooh, danke! Falconeri! Zum ersten Mal habe ich die Modemarke in Bologna entdeckt! Ich kann leider nicht mehr Klamotten mit offenem Ausschnitt tragen wegen der Altersflecken. Wissen Sie, ich bin schon 82! Früher waren es Sommersprossen, nun sind sie Altersflecken! Na, so was! Nein, Sie sehen super toll aus! Meine Haut ist schon schlapp und so dünn, was kann ich mit diesem Gesicht machen? Aber Sie, Sie schauen fantastisch aus! Darf ich Sie nach dem Alter fragen? Ach, nein! Danach darf man eine Frau nie fragen, aber ich schätze Sie höchstens auf 28! Nun muss ich schmunzeln. Nein, auch ich bin nicht mehr…