• Begegnungen

    Julia Caesar

    Irgendwie habe ich es schon immer gewusst, dass das Leben außerhalb des Universitätsgefildes nicht einfach sein wird. Das Uni-Umfeld hatte mich schon immer eine Umgebung aus Gleichgesinnten verschafft, wo man auf gleicher Welle funkte. Man war vorbehaltslos angenommen, fühlte sich gut aufgehoben und verstanden; geteilte Gedanken fanden Widerhall bei den Anderen. Es war ein schönes, warmes Gefühl der Geborgenheit. Außerhalb dieses heiligen Schutzbereichs der Ideen und Köpfe sind mir wohl oder übel allerlei andersgeartete Menschen: arrogant, zurückweisend, oberflächlich, kleinlich… Eine ganze Regenbogensammlung, aufgeschäumte bunte Gischt aus Charakteren in der Brandung der Begegnungen hatte sich blitzartig angehäuft. Ein stürmisches Menschentypenmeer, das einen anlockte und mitriss. In mancher Hinsicht trug das immens…

  • Das Jetzt

    Die Beichte einer Nichtgläubigen

    Provoziert durch die heutige Begegnung mit Ihm. Ich bin in einer gottlosen Gesellschaft aufgewachsen, in der Gott verboten war. Gott? So was gab es nicht, nur von den Lippen meiner Oma konnte man manchmal dieses seltsame Wort, leise und vorsichtig zugeflüstert, hören. Was sie allerdings damit meinte, blieb ein volles Rätsel. Die kleine Kirche, die mitten auf dem zentralen Platz stand, hatte für mich eine völlig plausible Geschichte: sie war ja nämlich die, an deren Kirchturm Baron von Münchhausen sein Pferd mitten in jenem heftigen Schneesturm gebunden haben soll. Jedes Mal, wenn ich an ihr vorbeiging, schaute ich nach oben zum Turm und dachte an Münchhausen. Eine andere Funktion der…

  • Das Jetzt

    Notizen aus der Quarantäne II

    Bologna, cara mia Bologna! Ich steige in die Maschine und in weniger als 2 Stunden bin ich da. Ich verschmelze mit den gelb-rot-orangen Bögen über meinem Kopf, die mich auf dem Weg an den Instituten der Università di Bologna vorbei begleiten, werfe einen neugierigen Blick in die kühlen einladenden Innenhöfe. Mitten auf Plazza Maggiore halte ich inne. Für ein paar Sekunden wird es still, das ganze Getümmel verstummt, es fühlt sich so an, als ob ich genau in dem Augenblick im Mittelpunkt der Erde stehen würde. Die Glocke der Basilika San Petronio reißt mich aus der Zeitlosigkeit und holt mich in die Gegenwart zurück: Es ist punkt 12 Uhr Mittag. Und dann…

  • Das Jetzt

    Notizen aus der Quarantäne I

    Ich mache breit dieses Fensterlein auf, um tief einzuatmen… Meine Schritte führen mich in den Stadtpark, lege mich da auf das feuchte Aprilgras hin, die Sonnenstrahlen verfangen sich in meinen Wimpern, blitze gegen die Sonne, meine Hände berühren das sich noch immer etwas borstig anfühlende Gras sanft, vielversprechend, meine Haare schlingen sich um die Grashalme herum, verflechten sich mit ihnen, die Haarspitzen werden länger und länger, schlagen Wurzeln tief in die hungrige Erde hinein, es riecht nach Magnolien, der Duft ist so betörend, dass es mir schwindlig wird, unter meinem Rücken pulsiert das Herz der Erde – Wärme fließt über meine Arme, über die Ellenbogen hinunter, ein nie aufhörender Strom,…