• Das Ich

    Ich kann nicht mehr warten

    Ich kann nicht mehr warten. Nein. Ich kann es nicht. Ich kann nicht unendlich vernünftig, überlegend, zahm sein – ich kann nicht diejenige sein, die den Winter langsamen Schrittes messen würde, die verträumt, in einem langsamen cadence warten würde, dass der längste mit Zähnen klappernde Winter mit einem révérence den fernsten Frühling um einen Rollenwechsel leise flehen würde. Ich kann nicht warten. Ich kann es nicht, ich gebe es zu. Will ich so viel? Weiß ich nicht. Ich spüre es, wenn der letzte Tropfen Geduld mit einem gewaltigen Donner in ein Meer aus Gefühlen hinüberfließt. Also, losziehen! Ich ziehe meine treuen roten, schon ein wenig abgetragenen, dazu aber bewährten Ballerinas…

  • Sprachspiel

    Spielen

    Habe heute mit gewissem Bedauern und einer Spur von Traurigkeit meine Gitarre eine Weile auf dem Schoss gehalten: die zweite Saite musste schon längst gewechselt werden… Gitarre spielen geht also nun wirklich nicht. Selbstverständlich hätte ich auch Geige spielen können, wenn ich nur eine hätte und es könnte, doch ein Traum wäre, immer die erste Geige zu spielen, hingegen wäre wohl keiner bereit, freiwillig die zweite Geige zu spielen in der gegenwärtigen Konkurrenzwelt. Solche „Macher“, die ausnahmsweise den Besserwisser spielen, gehen mir manchmal echt auf die Nerven, aber was soll’s! Das ist ja ein Teil des Spiels des Lebens!  Nicht jeder spielt mit offenen Karten, damit muss man leben! Karten…

  • Begegnungen

    „Hämwieh“

    Nun muss ich schmunzeln, echt. Da ich mich erinnerte, wie alles begonnen hatte. Ich stand im Auslandsamt der Uni Jena und wartete geduldig, vor ein paar Stunden angekommen, nach der 35-stündigen Busfahrt, erschöpft und völlig desorientiert. Die Angestellte im Büro versuchte vergebens meinen Betreuer, Herrn Dr. Lösch von der Arbeitsstelle Thüringisches Wörterbuch zu erreichen. Als er endlich abhob, zog sich das Telefonat länger als 5 Minuten hindurch, am besorgniserregten Blick der Dame konnte ich ablesen, dass etwas nicht stimmte. Ja, es stimmte etwas definitiv nicht. Der Betreuer, der mir zugewiesen wurde, weigerte sich mich zu betreuen. Er selbst steckte bis zum Hals in der Arbeit, und das letzte, was er…

  • Begegnungen

    Das Geburtstagskind

    Es war gegen 19 Uhr. Ein zauberhafter Märzabend, Schneeflocken schwenkten ungeniert ihre Röckchen herum, ein eiskalter Windzug trug sie in einem Wirbelsturm hoch, brachte sie bald wieder aus der Reihe und spuckte sie ins blendend weiße Schneechaos hinein, wo sie – völlig verloren vor dem Hintergrund des alles widerspiegelnden Weißes, innerlich durchwühlt, ihre Krönchen aufrichteten. Eine Sekunde, zwei, drei… Mit einem erneuten Schwung traten sie wieder in die Reihe.  Man sagt, man braucht nicht länger als vier Sekunden, um sich ein allererstes Bild von jemandem ausmalen zu können. Die vierte Sekunde fehlte also nur noch, die einen echt hätte machen können, und das war das Geheimnis aller Schneeflocken. Auch mich…