Do. Nov 21st, 2024
Picassos Little Girl Jumping Rope

Nichts macht mir mehr Angst als die Gleichförmigkeit. Ich bin zwar in einer schönen hellen viel versprechenden Zeit aufgewachsen und in einer noch schöneren, noch helleren Gesellschaft, in der Disziplinierungsmaßnahmen einen Höchstwert erreicht hatten: das Schülerheim des Fremdsprachengymnasiums, das sich im 3. Stock derselben Schule befand, schloss die Türen um 20:00 Uhr. Noten unter dem Bestergebnis waren unzulässig bzw. ein Grund zum Sich-Schämen, und die Schuluniform war ein Muss. Wir waren auch so erzogen, auf die Frage „Willst du den anderen als Vorbild dienen?“ mit „ja“ zu antworten.

An einem warmen Sommerabend im Juni 1988, das Erscheinungsjahr vom Iwan Andonows Kultfilm „Yesterday“, dessen Sujet in der Deutschen Schule in Lovech spielte, war ich einmal zu spät, weil im Park gerade eine nicht unbekannte Band ihre neue Nummer spielte, die ich mir unbedingt anhören wollte – „Eid“ (s. den Link unten), den Titelsong zum Film. Für dieses einzige Vergehen musste ich mich zusammen mit ein paar anderen „Verbrecherinnen“ rechtfertigen😊. Doch vielleicht genau deswegen, weil ich in einer klar strukturierten Welt aufgewachsen war, konnte ich mir nie diese Disziplinierungsmaßnahmen, die einem jede Lebendigkeit wegraubten, zu eigen machen. Allmählich baute ich einen inneren Widerstand auf gegen alles, was darauf gerichtet war, den Menschen gegen seine Individualität zu „disziplinieren“, zu verbiegen.

Jahre danach in meiner Arbeit mit Kindern und Jugendlichen machte mich immer wieder stutzig, wie wenige von ihnen einen starken Start im Leben bekommen hatten, mit voller Unterstützung und bedingungsloser Liebe seitens der Familie, die ihre Einzigartigkeit sehr oft auch preisgegeben hatte, und wie erbarmungslos wir, Erwachsene sein können. Nach den ersten fünf Minuten taten sich bei den meisten Wunden auf, und das war traurig, unendlich traurig. Vor zwei Monaten saß etwa ein kleines Raubvögelchen mir gegenüber, zeigte Krallen und war bereit, sich mit allen Mitteln zu verteidigen. Keiner hatte ihm erklärt, dass es auch ein Falke oder eine Nachtigall hätte sein können.

Es gibt keine Problemkinder, Kinder sind wunderbar, das Problem beginnt bei den Erwachsenen. Einmal fragte mich eine meiner KursteilnehmerInnen in Wien, ob ich Psychologin von Beruf sei. Nein, das bin ich nicht. Ich bin aber für mich im Klaren, dass es eines gibt, was in meinem Leben einen echten Wert hat: die Menschen. Und Menschen sind zerbrechlich. Eines kann ich nicht verzeihen: wenn man über Menschen geht.

Oft sage ich zu den besorgten Eltern: „Warum möchten Sie, dass Euer Kind wie die anderen ist? Wir sind doch keine Broiler! Seien Sie froh, dass Euer Kind genau so ist, wie es ist, in seiner Einzigartigkeit steckt seine Schönheit.“

Davon bin ich überzeugt. 100% . Wir sind keine Broiler. Lieben Sie Ihre Kinder, wie sie sind. Damit wäre der Größtteil der Arbeit erledigt. https://www.youtube.com/watch?v=5J7KqBeBpDs


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