Je tiefer ich in die Tasse hineinschaue, desto klarer und deutlicher sehe ich… Wie im Zeitraffer verlaufen vor meinen Augen alle Lokale in der Stadt, wo man gut und ausgiebig, dabei ohne sich tief in die Tasche greifen zu müssen und in angenehmem Ambiente essen kann! Ich erinnere mich an jedes Festmahl, wo ich kaum etwas zu mir genommen habe, da ich schon wieder auf die Figur achten musste, kann jedes Detail – vom schön dekorierten Tisch bis zu den feinsten Gerüchen – wach herbeirufen. Langsam tauchen auch jene Diners auf, wenn ich so dumm war aufs Essen zu verzichten, weil mir ein Gespräch oder ein Augenblick viel wichtiger waren…
Wenn ich so tiefer hineinschaue, dann fällt mir plötzlich ein, was ich zu Weihnachten alles kochen könnte: exotische Speisen, die ich nie zuvor zubereitet hatte, die auf der Zunge wie Honig zergehen, echte Daumenfreuden! Das Töchterchen feiert ja dann Geburtstag, da kann ich ruhig meine Kochkünste etwas ausweiten und Gefahr laufen, die Erwartungen aller zu übersteigen, einmal im Jahr alle zu überraschen, ist doch erlaubt! Juhu!
Wo habe ich jenes Kochbuch verstaut, das einen tiefen Einblick in die indische Küche verschafft? Habe ich alle Gewürze parat, die man braucht? Hm… Was würde meinem lieben experimentierfreudigen Sohn, der sich anstatt als künftigen Soziologen plötzlich – nach drei harten Studienjahren und dem Versuch ins selbstständige Leben – mehr in die Rolle eines Chefs de Cuisine sieht, am besten schmecken? Und woher dieser Wunsch, die Gesellschaft mit ihren ungelösten Problemen preiszugeben? Sie gegen den Herd auszutauschen? Wie kam es denn zu diesem Umschwung in seinen Präferenzen?
Wenn ich so weiter hinschaue, erinnere ich mich an die Kindheit, als wir offensichtlich so arm waren (damals war es mir irgendwie nicht ganz bewusst!), dass Fleischlaibchen nur zu Weihnachten und Ostern auf den Tisch kamen. Vegetarierin bin ich also nicht so sehr von Überzeugung, sondern von Erziehung aus, leuchtet es mir plötzlich auf!!!
Ich sehe nun viel deutlicher auch jene Bilder mit den unterernährten Kindern in Afrika, die wohl nie aus dem Gedächtnis zu löschen sind, und frage mich, wo die Armut beginnt und wie sie sich anfühlt… Ob wir in Europa denn überhaupt arm sind, wenn wir Brot und Joghurt auf dem Tisch haben, wie man hierzulande im Volksmund sagt, und ein Dach über dem Kopf?
Ich sehe Paris in jenem Frühling, als die Kälte immer noch alle Bäume in ihrer lieblosen Umarmung festhielt und die Knospen es nicht wagten, hinauszugucken und aufzublühen, rieche den leckeren Vanilleteig, die unwiderstehlich süß duftenden hinter den Schaufenstern lockenden Leckerli, in einer Sinfonie aus Zimt, Vanille und Puderzucker, in der einem schwindlig werden kann, und teste den hausgemachten Tarte aux Pommes… mmmh!!!
Dann bin ich in Rom… Ob ich denn wieder mal jenen kleinen Laden finden kann, wo die besten Torteletts der Welt angeboten werden? Knusprig-cremig mit saftigen Beeren drauf, einfach ein Traum! Wann könnte ich früh möglichst einen Flug buchen?
Nein, ich mag kein Marzipan. Ein Apfel. Ein Apfel hat nur 45 kcal. Ein Apfel hat kein Herz. Das ist ja herzlos. Ein herzloser Apfel.
Je tiefer ich hineinschaue, desto tiefer sehe ich ein… Da, am Boden breitet sich ein mildes, sanftes helles Licht aus. Nur ein Schritt trennt mich von der Erleuchtung!!! Fastenzeit halt… 😊
Views: 45