Di. Dez 3rd, 2024

„Ich bin niemand“, sagte ich, „hier kennt mich keiner.“
„Sie sind nicht niemand. Mir kann nicht niemand schreiben.“

Manche Legenden bekommen ihren Stern auf dem Walk of Fame in Hollywood, nach anderen werden Straßen, Parks, Institutionen, gar Schiffe benannt. Das, worum es hier geht und was am besten zu seinem Namensgeber korrespondieren würde, ist allerdings ein Aggregatzustand – weder fest, noch flüssig, noch gasförmig, sondern explosionsartig! –  der Aggregatzustand Klimek.

Zumindest so hat er auf mich gewirkt, als ich ihn vor geraumer Zeit nicht woanders, sondern im „Freiraum“ in Wien traf. Kein Zufall, auch der Name des Lokals versinnbildlicht einen Teil dieser unübersehbar vielschichtigen Persönlichkeit. Denn Manfred Klimek braucht seinen Freiraum und würde ihn sehr wohl niemandem, unter keiner Bedingung abtreten – eine der Sachen wegen derer ich ihn mag.

Vor unserem Treffen wurde ich gewarnt: dass er sich kein Blatt vor den Mund nimmt, eventuell könnte ich was hören, was mir nicht so gut gefallen könnte, dass ich im schlimmsten Fall auch „angespuckt“ werden könnte:-)), – etwas, mit unvorhersehbaren Folgen also stand mir bevor, was mich noch neugieriger auf die Begegnung machte. Wovor hätte ich Angst haben können?[1] Vor der Aufrichtigkeit im Austausch mit einem Anderen? Niemals.

Ich ging hinein, und er saß schon da. So, wie ich ihn damals erlebte – ein aufgeregter, lebendiger, explosionsartiger Ball, voller Eindrücke und Emotionen, reich an Geschichten und Erfahrung, vehement die eigene Meinung verteidigend – voller Elan und Begeisterung! –, kann ich ihn nichts anderem gleichsetzen außer einem noch nie zuvor existierenden, mit nichts anderem zu vergleichenden Aggregatzustand – Klimek. Einer der offensten, aufrichtigsten Menschen, denen ich je begegnet bin. Künstler und Autor. Souveräner Krieger, der sich nicht scheut, die Unantastbarkeit seiner eigenen Meinung zu verteidigen, der sich den Luxus gönnt, sich hinter seine Worte zu stellen – egal, wie die bei den Anderen ankommen. Ich denke eh aber nicht, dass er sich mal in die hohe Kunst der Diplomatie versuchen würde, weil es weder seiner Grundeinstellung noch seinem Lebensziel entsprechen würde. Aufrichtigkeit voll und ganz. Es werden keine Schmeicheleien, keine „weißen“ Lügen erzählt – es ist, wie es ist. Bei ihm weiß man, woran man ist. Wer hätte schon den Mut, seine Wahrheit auszusprechen?

Manfred Klimek in der Kolonie 5. Bild: Neli Peycheva

Auf der ihm gewidmeten Ausstellung in der Galerie Kolonie 5 ist er nicht persönlich erschienen. Doch seine explosionsartige Ladung ist in allen Bildern an den Wänden zu spüren. Ich war dort und habe es selbst erlebt. Schon beim Betreten des Raumes wird man von den vielen da anwesenden Geistern überwältigt, ich habe Gänsehaut bekommen – Momentaufnahmen des kaum Fassbaren, des Besonderen. Das Interesse eines Künstlers, habe ich neulich bei Ayn Rand  gelesen, gilt der Kunst an sich, nicht den Reaktionen der Anderen, und genau das macht einen zum Künstler, unterscheidet Kunst von der Metaebene, auf der über Kunst gesprochen, aber keine Kunst erschaffen wird. Mit seinem Nicht-Erscheinen hat uns der Künstler vielleicht eben das gezeigt?

Als er nach Berlin endgültig abreiste und sich von Wien Abschied nahm, habe ich es zuerst in der Atmosphäre draußen gespürt – im Aggregatzustand. Es war nicht mehr so verdichtet, wie früher, sondern eher farblos, abgewaschen, öde. Doch ab und zu spürt man – bei seinen kurzen Wien-Besuchen, dass sich doch wieder was tut, und die Luft mit Elektrizität geladen wird. Manfred Klimek eben.

Natürlich weiß ich nun nicht, wie mein Text bei ihm ankommt. Wovor soll ich aber fürchten? Vor der Aufrichtigkeit? Also: Es sind meine Worte und ich stehe dazu – habe es nämlich von ihm gelernt. Außerdem bin ich ja eine Bulgarin!


[1] „Wovor haben Sie Angst? Sie sind doch eine Bulgarin!“ habe ich  übrigens erstmals 2018 von einem anderen Manfred – Manfred Rebhandl gehört! Seit dem Moment denke ich intensiv darüber nach! Wort!

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