Do. Dez 26th, 2024

“Gutti und ich gingen die Treppe hinunter, er stolpernd wie der sterbende Kommunismus, ich aufrecht wie ein gut gefüllter Geldspeicher der Reichen.” /”Erster Mai”, Manfred Rebhandl, Haymon Verlag 2022, S. 72/

Den Autor Manfred Rebhandl hab ich 2018 kennenglernt – ein reiner Zufall. Ein paar Wochen davor sind wir in Kontakt gekommen, nachdem ich – ganz zufällig! – einen seiner Texte – über Gerda Rogers – mit einem Auszug von dem wunderbaren Dimitre Dinev, den ich sehr, sehr mag („Spas träumt“) kommentiert hatte.

Das erste Buch von ihm, das ich danach aus reiner Neugier gelesen habe – denn davor kannte ich nur einige seiner Artikel – war über Kitty Muhr – eine Frauenfigur eben. Was mir da schon in den ersten Sekunden nach dem Aufschlagen des Buchs besonders auffiel, waren die vielen Stereotypen, die von jeder sonst mit viel Witz und Ironie geschrieben Seite frech hervorblickten und festgemauert nach Bestätigung schrien. Da ich mir da was ganz anderes erwartet hatte, hat mich dieser allererste Eindruck zuerst einmal stutzig gemacht. Erst nachdem ich „Das Schwert des Ostens“ in die Hand genommen hatte, wurde mir klar, dass die Stereotypisierung der Charaktere zu einem der Verfahren zählte, die der Autor zielgerichtet und mit einer sich durch alle Kapitel durchziehenden Beständigkeit einsetzte. Dabei verfolgte er gar nicht das Ziel, die Klischees zu entkräftigen, sondern nutzte sie gewandt in allen ihren Facetten als eine nie versickernde Quelle für Schmäh und humorvollen Umgang mit den menschlichen Schwächen. Und nicht nur! Denn das, was ich hinter den Worten, den lustigen Charakteren und den Bildern, die er auch in seinen neueren Büchern malt, deutlich als immanentes Merkmal wahrnehme, sind diese Verbitterung und Gesellschaftskritik, die durch das geschriebene Wort ihren Weg nach außen zu den Menschen suchen – eine Einstellung, eine Art Verhältnis zur Realität, die den Autor ausfüllen und prägen. Wie ich schon mal geschrieben habe, erinnert er mich seinem Still nach an Bukowski und Houellebecq: durch das nackte schonungslose Wort wird eine grotesk-witzige Situation geschaffen, in die die Figuren geraten, wobei nicht die Handlung und der Ausgang an sich so wichtig zu sein scheinen, sondern das, was im Hintergrund eingeblendet wird: das Verhältnis zur Realität: wie ist das Leben zu betrachten – als Spiel oder als eine sehr ernste Angelegenheit? Steckt hinter dem Grotesken nicht auch mal was Wahres? Sollte man sich ausschließlich auf das Schöne und Erhabene beziehen, wenn man zum Wort als Mittel zur Stellungnahme und Selbstreflexion greift, wenn etwas in der Welt draußen von Grund auf nicht stimmt?

In den Romanwelten, die hinter den Covers von Rebhandls Büchern aufleben, kommt „der andere“ Rebhandl, l’enfant terrible, zum Ausdruck, ja und nein. Denn wenn man auch seine Artikel aufmerksam gelesen hat, versteht man, dass es doch immer wieder derselbe Rebhandl ist, seine Bücher bieten nur eine andere Ausdrucksmöglichkeit des Hauptstrang in seinen Überlegungen an.

Lieblingsstelle im Buch – S. 72!

Außerhalb der Romanwelten engagiert sich der Autor aktiv als KPÖ-Mitglied für die Sache, Respekt! Ich allerdings als Ex-Ostblock-Kind, wo der Kommunismus beinahe aufgebaut wurde (!), gehe sehr vorsichtig, gar misstrauisch mit allen -ismen um, manchmal finde ich diese Art Ernüchterung bei mir sogar sehr traurig: ich habe nämlich zahlreiche Beispiele erlebt, wie eine sonst schöne Idee in dem Augenblick, in dem sie zur Ideologie wird, schonungslos zur Manipulation im Namen der Masse führen kann. Aus demselben Grund bin ich ja auch parteilos, und das schließt keinesfalls meine volle Unterstützung für Ideen, an die ich glaube, aus.

Das neu erschienene Buch von Manfred Rebhandl “Erster Mai” setzt die Rock Rockenschaub-Serie fort. Im Vordergrund stehen zwei Morde im Wiener Gemeindebau, im Hintergrund – Kritik an die Reichen, auf die die Schuld für das fehlende Gleichgewicht im sozialen System geschoben wird. Lachen ist 100% garantiert! Und wer weiß, vielleicht löst im nächsten Buch Rock Rockenschaub auch den Fall mit der Ungerechtigkeit in der Gesellschaft! Das wünsche ich ihm auf jeden Fall! Und ob es dem Autor gelingt, mehr Gerechtigkeit in die Welt draußen einzubringen? Hoffentlich!

Ihre Neli Peycheva

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