Do. Nov 21st, 2024

Wenn man dem Gefühl eine konkrete Form verleihen kann, dann ist es Benjamin Vanyek. Wir kennen schon den talentierten Schauspieler dank seiner mitreißenden Rollen in den Aufführungen von aktionstheater ensemble und haben den Akteur, der sich in seine Protagonisten dermaßen gelungen hineinversetzen kann, dass er ein Leib und Seele mit ihnen wird, des Öfteren bewundert und mit großem Respekt vor seinem Talent mitverfolgt. Sein facettenreiches Schauspiel fand dieses Mal seinen einzigartigen Ausdruck in den Interpretationen des „Großen der Großen“ – Jacques Brel – im Nestroyhof Hamakom am 15. Und 16. Oktober.

Benjamin Vanyek_ (c) Neli Peycheva_1

Leidenschaft war das Wort, betonte Benjamin, das im Mittelpunkt des Ereignisses stand. Leidenschaft war auch das Gefühl, das Publikum und Schauspieler in einem unausgesprochen schönen amorphen Ganzen verband – eine Art Huldigung mit viel Pathos, voller Hingabe und starker Präsenz von demjenigen von gestern, der zu Lebzeiten bei nur Wenigen Zuspruch fand, dank dem Schauspieler von heute, der ihn nahe an die Gegenwart brachte. Brel, dem das Kleiden in Worte von inneren Gemütszuständen, die durch den Zusammenprall mit der Realität verursacht wurden, wichtiger als das Vortragen seiner Songs war, sah sich lange Zeit gezwungen, selbst auch als Sänger aufzutreten. Die Jahrzehnte danach wurden allerdings seine schonungslos kritischen Lieder immer wieder neu interpretiert und gesungen. Voller Leidenschaft war auch der bis aufs Äußerste zugespitzte Auftritt von Benjamin Vanyek.

Benjamin Vanyek_ (c) Neli Peycheva_2

Kunst vereint Welten, ohne Trennlinien zu ziehen. Es gibt nichts Größeres, was über Armut und Reichtum, politischen Ansichten, persönlichen Weltauffassungen, kulturellen Besonderheiten, Altersunterschieden stehen und Welten näher aneinander führen kann: man soll sich nur der Kunst voll ausliefern können.  Dieses Voll-ausgeliefert-Sein war hautnah am herbstlichen Samstagsabend in Theater Nestroyhof zu spüren. Benjamin Vanyek brachte schauspielerische Kunst, Musik, Wort und Gefühl zu einer Symbiose zusammen. Plastisch, gefühlsbetont, zutiefst erschütternd schaffte er einen Raum zwischen Publikum und Interpreten, in dem ein untrennbares Ganzes entstand – ein Wirbel aus geteilter Leidenschaft, Liebe für Brel und Hingabe an die Kunst, ein Wir. Es braucht Mut, diesen Raum zu betreten. Mutig ist, sich vor das Publikum zu stellen und an einen der Großen so nah wie möglich zu kommen, sich in ihn voll und ganz zu versetzen. Benjamin Vanyek fehlte es keinesfalls an Mut, das zu versuchen, was schon viele Interpreten mal versucht haben: eine eigene Interpretation von Jacques Brel. Mal frivol, mal aggressiv, mal voller Pathos brannte er für die Sache:  Innenwelt und Musik, Realität und Kunst, Brel und Vanyek wurden zu einem Ganzen.

„Das Karussell“, auf das wir alle eingeladen wurden, einzusteigen, fuhr los! „Die Bonboniere“ wurde liebevoll überreicht. Die Erinnerungen an den „Port von Amsterdam“ wurden wachgerufen. Und irgendwann, wie es eh oft in der Realität passiert, die in Brels Lieder künstlerisch wiedergegeben wird, folgte auch die Begegnung mit dem „Teufel“.  

Benjamin Vanyek_ (c) Neli Peycheva_3

Das Besondere an der Intensität des Gefühls, mit der Benjamin Vanyek Brels Lieder vortrug, ist, dass sie sich nicht bändigen lässt. Wer die Leidenschaft Jacques Brels kennt und liebt, wird auch Benjamin Vanyeks Interpretationen lieben. Mit einem höchstpersönlichen Unterton, in einer äußerst ausdrucksvollen Weise gelingt es ihm, den Schauspieler und den Interpreten in sich zu Wort kommen zu lassen und Brels von allgegenwärtiger Aktualität geprägte Songs in die heutige Zeit zu verlagern. Brel lebt! Es lebe die Leidenschaft!

Eure Neli P

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